Auf meiner Insel 102

Das Wetter sehr abwechslungsreich. Mal blauer Himmel, dann heftige Regengüsse und mitten auf der Wandelbahn der Dorfpoet, der sich das anschaut und geduldig abwartet, ob der Himmel einen dieser genialen Sonnenuntergänge preisgibt. Die Tage zwischen Weihnachten und Sylvester sind hier von langsam aber stetig ansteigender Betriebsamkeit geprägt. Egal ob „Cafe Pustekuchen“, das „Kaffeeflut“ oder die „Inselpraline“ – die Strandkörbe draußen sind für einige Tage wieder entmottet und es liegen Decken parat, damit man selbst bei diesen Temperaturen draußen sitzen kann. Und die Hunde übernehmen allmählich die Regentschaft. Auf der Fähre hätte ich schon über den Boden kriechen und an jedem zweiten Tisch einen Vierbeiner knuddeln können. Diese Hunde haben an Sylvester hier kein Problem mit der Böllerei.

Rezension: Das Unabomber-Manifest

 

Auf dem Weg zur Insel habe ich mir ein hochinteressantes Buch zu Gemüte geführt. Das Thema ist interessant und sehr zwiespältig, da es zum einen zu meinem neuen Buch passt und dort als Leitmotiv für einen perfekten zeitlichen Abschluss dient. Zum anderen passt es zu einer Netflix-Serie, die ich vor meinem Urlaub gesehen habe. Die hieß „Manhunt: Unabomber“. Diese Manhunt-Reihe soll wohl fortgesetzt werden. In jeder Staffel geht es um eine spektakuläre Ermittlung des FBI, immer an realen Umständen orientiert und mit betroffenen Personen/Zeitzeugen als Berater. In dieser ersten Staffel ging es um die Überführung von Theodore Kaczynski, dem sogenannten „Unabomber“ im Jahr 1994. 

Hauptrolle spielt Sam Worthington („Terminator“, „Avatar“), der in seiner Rolle als Sprachspezialist beim FBI mit Hilfe sogenannter „Forensischer Liguistik“ Kaczynski überführen konnte. Dabei ging das FBI auf eine perfide Erpressung des Unabombers ein. Der sagte zu, sämtliche Bombenattentate einzustellen, wenn sein Manifest mit dem Titel „Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft“ in der New York Times oder der Washington Post abgedruckt werden würde. 1995 haben beide Zeitungen dieses Manifest tatsächlich gedruckt und es ist das passiert, was sich das FBI erhofft hatte. Der unverwechselbare Stil des Autors wurde erkannt und der Unabomber, auf dessen wahre Identität von 1978 bis 1994 niemand einen brauchbaren Hinweis hatte, wurde festgenommen. Es war besagter Ted Kaczynski, der in einer 3x4 Meter großen Hütte in einem Wald gehaust hatte und dort seine mörderischen Briefbomben zusammengesetzt hat.

 

2004 hat der Autor Lutz Dammbeck im Zusammenhang mit seinem Dokumentarfilm „Das Netz“ ein Buch veröffentlicht, in dem unter anderem sein Briefwechsel mit Kaczinsky veröffentlicht wurde und eben auch jenes Manifest. Auf Deutsch und quasi vom Mörder selbst redigiert. Es ist die einzige, offizielle Übersetzung des Manifestes.

 

Jetzt stellt sich die Frage, inwieweit man so einem Verbrecher auf den Leim geht, wenn man sich ein Buch kauft, in dem eine Ideologie dokumentiert wird, für deren Publikation Menschen sterben mussten. Niemand hätte sich für das Weltbild dieses Mannes interessiert, wären nicht Opfer zu beklagen. Der Unabomber hat Menschen gezielt getötet, nur um seine Ideologie abzusondern. Ist es ethisch verwerflich, das zu lesen? Auch wenn dieses Manifest eine gesellschaftspolitische Abhandlung ist und nicht mehr zu Gewalt oder Widerstand aufruft wie andere Schriften auch?

 

Nun, ich habe es gelesen und ich bin dankbar für die Notizfunktion eines eBook-Readers, denn ich habe zunächst Stellen markiert, die in meine Geschichte hineinpassen – mein Protagonist stirbt aus Altersgründen Mitte der 90er Jahre und die Geschichte des Unabombers passt als letztes Baustein zeitlich perfekt. Zur Mitte des Unabomber-Manifestes hin – der Text ist in Kapiteln und mit durchnummerierten Abschnitten versehen – habe ich als Notiz jedoch mehr und mehr Wörter wie „fragwürdig“, dann „Unsinn“ und schließlich „Schwachsinn“ vermerkt. Zwar sind Struktur und Schlussfolgerungen des Textes in sich schlüssig, aber es ist erschreckend, wie viel Halbwissen und sogar „Fakenews“ der 70-90er Jahre hier verbraten wurde. Jedenfalls hat mich das sehr beschäftigt und ich bin sicher, dass ich in den kommenden Tagen noch mehr dazu schreiben werde – vermutlich nicht hier, sondern unter meiner Kultur-Magazin Kennung bei Medium.

 

Ich hatte gedacht, dass dieses Thema mehr hergeben würde. Dass man viel mehr Zeit und noch viel mehr Recherche benötigt, um dieses Thema ergründen zu können. Das ist tatsächlich nicht der Fall. Das Manifest des Unabombers ist schlicht Unsinn, denn auch Unsinn kann eine gewisse Logik haben. Das ist wichtig, weil diese Nextflix-Serie erst am Ende hin, diese Widersprüche aufzeigt und bis dahin sogar mit einem gewissen Verständnis für die Motive des Mörder spielt. Der Link zu meinen Ausführungen folgt in Kürze.